Rückblick Neujahrskonzert 01. 2016
mit den Münchner Symphonikern
Mit fremden Federn...
… schmückt es sich gut, denn so mancher Komponist griff in seinem Leben auf Melodien zurück, die nicht seine eigenen waren, und erreichte damit oft größere Erfolge als ihr einstiger Schöpfer. Für seine Operettenbiografie „Franz Schubert“ adaptierte Franz von Suppé notengetreu Motive aus dessen Werken. Während ihn die Kritiker dafür anfeindeten, feierte ihn das Publikum; denn obwohl Schubert heute wesentlich bekannter als von Suppé ist, kannte ihn zu Lebzeiten kaum jemand. Der Wiener Komponist mied die Öffentlichkeit und führte seine Werke vornehmlich vor Freunden auf. Deshalb verstand das Publikum auch nicht, dass es nicht von Suppés Ideen waren, die sie in Jubelstürme versetzten, sondern Schuberts. Johann Strauss, der seit 1866 mit der Wiener Hymne „An der schönen blauen Donau“ die Welt in einen ¾-Takt versetzt, bediente sich ebenfalls dem Gedankengut anderer. Nachdem der Wahlfranzose Jaques Offenbach mit seinen Operetten in Paris triumphale Erfolge gefeiert hatte, plante er die Wiener mit dem Operettenfieber anzustecken. Sein erster Coup sollte „Orpheus in der Unterwelt“ werden, bei dessen Premiere Strauss im Publikum saß. Kaum war der letzte Ton verklungen, stürmte der Walzerkönig nach Hause und führte die schönsten Motive daraus in einer Quadrille zusammen. Auch Strauss‘ eigene Werke wurden oft zitiert, u.a. von Erich Wolfgang Korngold. Trotzdem der gebürtige Österreicher in den USA zu einem der erfolgreichsten Filmkomponisten aller Zeiten avancierte, plagte ihn großes Heimweh. Ausdruck fand diese Sehnsucht in der Auseinandersetzung mit Strauss‘ Musik. Er bearbeitete Operetten wie „Eine Nacht in Venedig“ oder griff einzelne Motive von ihm auf, um sie wie in seiner Hommage „Straussiana“ neu auszulegen. Was Strauss für Korngold war, wurde Benjamin Bilse, der 2016 seinen 200. Geburtstag gefeiert hätte, für die Berliner. Heute ist der smarte Komponist weitestgehend unbekannt, dabei war Bilse seinerzeit ein umjubelter Star. Mit seinem adretten Auftreten und einer Musik, die großartiges Amüsement versprach, füllte er die Konzertsäle mit Tausenden.
Mit einem unterhaltsamen, wenn auch mit fremden Federn geschmückten Potpourri läuten die Münchner Philharmoniker das neue Jahr ein. Die künstlerische Leitung übernimmt der gebürtige Berliner Andreas Schüller. Schon früh begann er in der freien Opernszene von Berlin als Pianist und Dirigent aktiv zu werden, bevor er seine Karriere als ausgewiesener Spezialist für das Musiktheater begann. Egal ob in Berlin, Wien, Salzburg oder Köln – Schüller hat bereits unzählige Opern- und Operettenproduktionen bekannter aber auch weniger Werke von Mozart über Mendelsohn Bartholdy bis hin zu Puccini und Strauss erfolgreich geleitet. Seit 2013/14 ist er Chefdirigent der Staatsoperette Dresden.
Foto: Marco Borggreve